Schleim

Einige Kakerlakenarten in Afrika sind in etwa so groß wie bei uns die kleinen Frösche.

 

Als ich in der Nacht auf meiner Gartenliege in der Lehmhütte am Rande von Gorom Gorom aufwachte und der Boden ringsherum mit lauter kleinen Viechern bedeckt war, die im hereinfallenden Mondlicht erwartungsvoll zu mir aufzusehen schienen, da dachte ich, es seien wohl an die hundert Fröschlein, die mich da still belagerten.

 

Es war kühl in der Nacht, denn der Ort Gorom Gorom grenzt an den Süden der Sahara und die Lehmhütte war eher ein aus drei Lehmmauern bestehender, überdachter Sichtschutz mit Koch- und Waschecke, als ein Haus. Die Türöffnung entstand durch die fehlende Wand zum geräumigen Innenhof hin. Dieser von Mauern und Gebäuden umgebene Hof war groß genug für einen Tamarindenbaum mit hoher ausladender Krone, in dessen Schatten sich tagsüber wohl das Leben abspielte, als hier noch Familien vom Stamm der Mossi lebten. Wenn man jetzt über den Hof und durch das wagenbreite Tor sah, gewahrte man in der Ferne eine Linie, an welcher sich die dunkle kalte Wüstenlandschaft und der unendlich funkelnde, klare Nachthimmel berührten.

 

Ich stieg vorsichtig von der Liege und die Tiere machten ebenso vorsichtig Platz. Sie hüpften nicht aufgeschreckt davon, wie ich es erwartet hatte oder ließen sich gar leicht verscheuchen. Nein, nur dort wo ich die Füße behutsam aufsetzte, wuselten sie zur Seite. Den Schlafsack warf ich mir über die Schulter und die sperrige Liege klemmte ich unter meinen Arm, um einen Platz im Innenhof auszusuchen, auf dem die Liege nicht wackeln würde und ich einen Blick auf die silbrig - graue Sandwüste hätte. Unterwegs verlor ich noch ein paar von den Fröschchen, die sich vermutlich schon auf meinem Schlaflager eingerichtet hatten.

 

Halb unter der Baumkrone stand die Liege dann endlich stabil und kippelte nicht mehr. Von dieser Stelle aus konnte ich die Blätter des Baumes zugleich mit den blinkenden Sternen über mir beobachten und auch durch die Toröffnung in die Weite der Landschaft sehen, wenn ich den Kopf nur geringfügig neigte. In der wohltuenden Schlafsackwärme, verbunden mit der friedlichen Stille ringsum, hatte ich das Land der Träume allerdings bald wieder erobert.

 

Ein brüllendes Röhren holte mich aus dem Schlaf, weckte mich jedoch nicht vollständig, sondern ließ mich noch halb träumend und blinzelnd einen Blätter knabbernden Kamelkopf über mir entdecken. Ungläubig schloss ich die Augen sofort wieder ganz fest, vernahm aber weiterhin kräftig mahlende Kiefer, verbunden mit eindeutigen lauten Schmatzgeräuschen. Mächtig groß, dachte ich. Es wird schon wieder gehen. Ich werde einfach ganz still liegen bleiben.

 

Kamele können wohl scheinbar nicht so richtig Brüllen und Fressen zur gleichen Zeit, denn beim nächsten dröhnenden Röhren flatschte mir ungefähr ein Zahnputzbecher voll Kamelspeichel, schleimig warm und grün vom Saft der Blätter, auf Kinn und Hals und bahnte sich zähfließend seinen Weg in meinen Hemdkragen. Und wie in einem schlechten Film, klemmte natürlich der Reißverschluss des Schlafsacks und ich bekam die Hände nicht frei. Ich rollte also hektisch von der Liege herunter auf die Knie, ging dann in die Hocke und hopste, als wäre Sackhüpfen der gegenwärtige Frühsport in Afrika, in Richtung Hütte davon. Bei jedem Sprung lief mir der Kamelschleim tiefer in die Klamotten. Das laute Riesenvieh röhrte wie triumphierend hinter mir her und ich drehte mich an der Hütte noch einmal kurz um. Es schleimte gerade auch die Liege noch mal ordentlich voll.

 

In Erinnerung an den Grund meines nächtlichen Umzugs, hüpfte ich ganz besonders achtsam hinein. Aber gottseidank waren zumindest die kleinen Tierchen der Nacht wie vom Erdboden verschluckt.

 

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