Stoff

Seit langer Zeit hatte sie nun endlich mal wieder ein neues Kleid bekommen. Es war sogleich ihr absolutes Lieblingskleid. Sie mochte es nicht nur so, wie man neue Dinge gerne mag, sondern sie hüpfte geradezu innerlich vor Freude, wenn sie es trug. Der Stoff war wunderbar fein und dicht gewebt, dabei fließend leicht und wohlig anschmiegsam. Klar voneinander abgesetzte Streifen verliefen von oben nach unten. Abwechselnd in rosa - weiß – rot - weiß – gelb – weiß – blau – weiß – grün – weiß – rosa . Sie waren leuchtend bunt und exakt so breit wie ihr kleiner Zeh. Der Schnitt ließ ein wenig von ihrer Schulter frei und vom Hals bis zu den Knien, wurde es mit vielen kleinen, perlmuttfarbenen Knöpfen verschlossen. Der Gürtel, aus dem gleichen, ebenso wirkungsvoll gestreiften Material, umschlang ihre schmale Taille. Das Ganze wirkte so perfekt, als sei es nur für sie entworfen worden. Es unterstrich ihre Zartheit und es beeinflusste auch ihre Art, sich zu bewegen. Und, weil sie sich darin so unbeschwert wohl fühlte, wurde es auch für jeden Betrachter zu einem ganz besonderen, bezaubernden Sommerkleid.

 

 

Sie war noch jung, lag auf dem Rücken und er sabberte sie ziemlich unkontrolliert voll. Der Speichel troff auf ihre Wange. Sie drehte den Kopf zur Seite und schob ihn wortlos nach unten. An ihren Hals. Dort saugte er umgehend schmatzend an ihr herum. Sie war lecker und sie roch so umwerfend gut. Er konnte nicht genug von ihr bekommen. Sein Geschnaufe und Gesabber kitzelte sie allerdings und sie kicherte mädchenhaft und drückte ihn gleichzeitig mit einer gutmütigen Kopfbewegung von dieser leckeren Stelle weg. Sie schob ihn noch etwas tiefer und verwischte mit einer zwanglosen Handbewegung seine Spucke an ihrem Hals. Hier lag er gut, so halb schräg auf ihrem Körper. Den schweren Kopf entspannt abgelegt. Er spürte ihren wohlbekannten Herzschlag durch diesen weichen, feinen Stoff. Ein kleiner Knopf schimmerte direkt vor seinen Augen und er tastete nach ihm. Die oberen beiden Knöpfe waren geöffnet und er fingerte nun an dem nächsten herum. Sie verschob seinen Po mit einer entschlossenen Handbewegung seitlich, sodass er nun gänzlich auf ihr lag. Irgendwie bekam er im gleichen Moment den Knopf auf. Sie kicherte wieder und sagte strahlend: „Du, du, du…“, wobei sie ihn von dieser wunderbaren Stelle weg und noch weiter nach unten schob. Ihr hübsches Kleid verrutschte, als sie die Beine anzog und ihn zwischen ihre bloßen Schenkel klemmte. Er war ihr Gefangener und sie kraulte ihn liebevoll an den Schulterblättern, während er wohlig den angenehm vertrauten Bauchgeräuschen lauschte. Unvermittelt hob sie ihren Oberkörper an und lehnte sich auf ihre angewinkelten Ellenbogen. Er schaute zu ihr auf, während sie den Kopf in beide Richtungen drehte und sich prüfend umsah. Dann stemmte er sich ebenfalls hoch und stützte sich dabei auf dem Hügel zwischen ihren Beinen ab, kam dann noch etwas höher und umklammerte das angezogene Bein mit weit geöffnetem Mund. Er versuchte sogleich ihr nacktes Knie vollständig in den Mund zu bekommen. Hielt es fest umschlungen und drückte seine zahnlosen Felgen gegen ihre Kniescheibe. Er tropfte und sabberte. Sie ließ ihn gewähren und schaute gelangweilt in den Himmel. Nach einer Weile begann sie das Knie, an dem er sich festzusaugen versuchte, leicht zu bewegen. Er taumelte nun, gemeinsam mit ihrem schaukelnden Bein, hin und her.

  Sie lagerten im Halbschatten einer ausladenden Birke auf einer grauen Rosshaardecke. Ganz in der Nähe des Hauses. Er konnte über das schwankende Knie hinweg auf die schlingernde, kleine Wiese bis zum nahen Waldrand sehen, wo eine Krähe mit ruckartigen Kopfbewegungen versuchte, etwas auf Schnabelgröße zu zerkleinern. Es war ansonsten sehr ruhig und friedlich auf dieser kleinen Lichtung, und in der warmen Frühlingssonne hatten sogar die Vögel gerade eine mittägliche Gesangspause eingelegt.

  Unvermittelt nahm sie ihn hoch und wischte mit einem herumliegenden Stofftuch ihre Haut trocken, packte ihn und setzte ihn auf ihre geschlossenen Knie. Er strahlte sie an und sie ließ ihn behutsam an ihren schrägstehenden Oberschenkeln hinunterrutschen. Das gefiel ihm. Er strahlte und gluckste. Sie machten das mehrfach und er wollte immer noch einmal. Irgendwann hatte sie eine neue Idee. Sie ließ ihn nicht mehr rutschen, sondern machte plötzlich die Beine auseinander, sodass er ein kleines Stück plumpste. Zwischendrin schnappte sie ihn mit ihren Beinen und klemmte ihn kurz ein. Auch das gefiel ihm sehr gut. Dann wollte sie nicht mehr, streckte die Beine aus und ließ ihn bäuchlings auf ihren Schienbeinen liegen. Umgehend begann er wieder an ihren Knien zu nuckeln. Sie lachte und zog ihn höher. Er lag mit dem Kopf auf ihrem Slip. Er wollte sie nochmal zum Lachen bringen. Der Slip schmeckte ungewöhnlich und er begann wieder zu sabbern. Sie zog langsam ihre Beine an, beachtete ihn aber nicht weiter und ließ ihn, ohne zu lachen, weiternuckeln. Irgendwann war allerdings der durchgeweichte Slip irgendwie an die Seite gerutscht und krause Haare kitzelten sein Gesicht.

  So oder so ähnlich passierte es des Öfteren in diesem Sommer. Manchmal war sein ganzes Gesicht nass und er wollte nicht mehr und weinte. Sie zog ihn dann sofort hoch, nahm ihn in ihren Arm und tupfte ihn sehr fürsorglich und behutsam trocken.

  An einem spätsommerlichen Sonntag nach dem Mittagessen, lag spürbar elterliche Spannung in der Luft und er bemühte sich, gute Laune zu verbreiten. Er krabbelte unter dem Tisch hindurch zu seiner Mutter und tauchte an ihren Knien wieder auf. Er besabberte ihren Oberschenkel und versuchte sich zwischen ihre Beine zu drängen. Sie tat so, als würde sie seine Absicht nicht bemerken, griff ihm unter die Arme und hob ihn hoch. Er strampelte und meckerte. Aber sie schnappte ihn, legte ihn über ihre Knie und klopfte ihm, tätschelnd und spaßend, auf seinen Windelpopo.

  Ab diesem Tag war für ihn unverständlicher Weise alles irgendwie anders. Seine Mutter ließ sich nicht mehr küssen, nirgendwo hin. Sie vermied solche Situationen oder wandte sich entschieden ab.

 

Andere Erinnerungen an diesen Sommer sind überwiegend aus seinem Gedächtnis verschwunden. Der wunderschön bunte Kleiderstoff allerdings, der hatte sich bei ihm so intensiv eingeprägt, als hätte er ein fotografisches Gedächtnis. 

  Nach vielen Jahren scheint dieses Streifenmuster nun wieder modern zu werden und als er kürzlich unvermutet ein solches Kleid auf der Straße sah, klopfte sein Herz auf einmal merklich kräftiger und er setzte sich verdutzt auf den nächsten Treppenabsatz vor einen Hauseingang. Wie gebannt starrte er weiter in die gleiche Richtung, auf dieses lebensfroh schwingende, buntgestreifte Kleid. Sein Blick wurde dabei allmählich unschärfer und verschwamm anhaltend, weil ein warmer, unkontrollierbar aufsteigender Tränenschleier irgendwann die Welt um ihn herum bis zur Unkenntlichkeit verzerrt hatte.

  Nach wenigen, unendlich scheinenden Minuten, stand er wieder auf und verwischte mit einer zwanglosen Handbewegung eine warme Träne, die spürbar kitzelnd an seinem Hals hinunterlaufen wollte.

 

Mit immer noch unklarem Blick und anhaltender Wehmut, setzte er nachdenklich gebeugt seinen Weg fort.

 

 

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