Die Annäherung

Mein Körper war mittlerweile gleichmäßig und nahtlos braun, denn ich lebte seit einigen Wochen allein an einem sehr abgelegenen Strand.

 

Ich glaube, ich hatte diesen Ort ausgewählt, weil er genau so einsam und verlassen wirkte, wie es damals auch gerade in mir aussah. Zu der Zeit war ich ein mit frischem Trennungsschmerz beladener junger Mann, der sich zudem ein wenig heimatlos und entwurzelt fühlte.

 

 

Zum Abschluss dieses klaren und fast zu heißen Nachmittags, war die Sonne wieder einmal übertrieben romantisch im Meer versunken.

 

Ich wollte mich vor dem Anzünden des Lagerfeuers noch kurz in den beinahe behutsam gegen den Strand rollenden Wellen erfrischen, so wie ich es an fast jedem Abend tat. Hinterher sollte dann eine fette Makrele auf der Glut grillen.

 

Da ich in der sehr unzugänglichen Bucht fast immer allein war, lief ich den ganzen Tag nackt herum und so ging ich dann selbstverständlich auch schwimmen. Das Meer war sehr angenehm auf der Haut, nicht zu kühl und glitzernd klar.

 

Langsam bummelnd, den seicht abfallenden Meeresgrund im Blick, ging ich Schritt für Schritt soweit ins wohlige Nass, bis ich keinen Grund mehr unter den Füßen spürte und zu schwimmen begann.

 

Auf dem Rücken kraulend, entdeckte ich den ersten Stern. Ich hielt inne, um entspannt an der Wasseroberfläche treibend und mit den leichten Wellen schaukelnd, den weiten Himmel zu beobachten. Nach und nach wurden es immer mehr glitzernde Punkte.

 

Dieses beinahe menschenleere Fleckchen Erde, war unzweifelhaft ein kleines Paradies.

 

Unvermittelt und lautlos war sie da. Ich sah mich um - wie erwartet waren wir völlig allein in der weiten Meeresbucht.

 

Da ich sie in meiner Rückenlage erst ziemlich spät bemerkt hatte, war sie schon recht nah. Ich beobachtete ihren Körper neben mir im klaren Wasser. Sie schwamm wunderbar ruhig, gleichmäßig und sehr beweglich. Ich war sogleich fasziniert und vermochte den Blick nicht wieder abzuwenden.

 

Beinahe unmerklich kam sie näher und ich wich behutsam etwas zurück. Sie schien sich für mich zu interessieren und streckte wie unabsichtlich einen Arm nach mir aus.

 

Ich bewegte mich in Richtung Strand.

 

Sie tat es mir fast zeitgleich und völlig lautlos nach.

 

So etwas war mir noch nie passiert und es wurde nun doch etwas beklemmend.

 

Parallel zu mir schwimmend, als wären wir miteinander vertraut, blieb sie in meiner Nähe. Ihre Haut glänzte dunkel unter der Wasseroberfläche.

 

Die Dämmerung hatte zugenommen und ihre Konturen wurden zusehends unscharf und die fließenden, weichen Bewegungen wirkten mehr und mehr verschwommen.

 

Mein Herz klopfte. Wieder schien ein Arm unter Wasser nach mir zu tasten. Ich beschleunigte meine Schwimmbewegungen in Richtung Ufer.

 

Sie wurde jetzt noch dunkler und nur ihre glatten Rundungen schimmerten noch hell. Tatsächlich änderte sie die Farbe mit der Dämmerung.

 

Das Wasser war nun gerade noch etwa knietief und sie war immer noch nah bei mir. Es war wirklich sehr spannend. Sie behielt beinahe konstant den gleichen Abstand zu meinem nackten Körper. Mir war klar, so schlank und geschmeidig wie sie aussah, könnte sie wesentlich schneller sein.

 

Aber scheinbar wollte sie mit ihren lässig nach mir tastenden Armbewegungen wohl nichts anderes, als mich ein wenig necken.

 

Sie begleitete mich noch etliche Meter, bis ich mich abrupt von ihr fort in die Bauchlage umdrehte und eilig aufrichtete, um dann meine Schritte durch das jetzt lediglich noch knöcheltiefe Wasser zu beschleunigen.

 

Endlich war ich am Strand und fühlte erst in diesem Moment, wie aufgeregt mein Herz tatsächlich in mir hämmerte.

 

Ich strebte leicht keuchend und tropfend dem Lagerplatz zu und überlegte, dass sie möglicherweise gar nichts von mir wollte.

 

Ich fühlte mich jedoch, auch während sie neben mir her schwamm schon, an eine beeindruckende Geschichte aus einem meiner ersten Jungenbücher erinnert. In dieser Story besiegte eine Krake beinahe einen Tigerhai - in einem dramatisch beschriebenen Unterwasserkampf.

 

Immerhin hatte meine Schwimmbegleitung hier acht, mit vielen Saugnäpfen versehene Fangarme, jeder von ihnen etwa einen Meter lang.

 

 

Wie ich heute weiß, stammt der Name “Krake” aus dem skandinavischen. Dort bedeutet er soviel wie “entwurzelter Baum“.

 

 

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